ideamare juLABER

~verurteilung~

Man kennt sie-

Man begegnet ihr jeden Tag-

Die Verurteilung-

Das beginnt schon bei den kleinsten alltäglichen Dingen;

Wenn ich eine Person zum ersten Mal treffe, fängt es an:

Alles, was im Auge der Gesellschaft, der Norm von Bedeutung ist, wird erstmal abgefragt:

„Wie geht es dir?“: Gut, aufgeregt, traurig, müde, ausgelaugt, zufrieden, schlecht? Ach nein, das ist bestimmt nichts…

“Welche Schule besuchst du?“: Hauptschule, Realschule, Gymnasium?

„Was machst du nach der Schule?“: Studium… Oder Ausbildung?

~Wobei diese Fragen gar keine Fragen sind, denn im Grunde genommen gibt es nur eine richtige Antwort;

„Wo wart ihr im Urlaub?“: Ostsee, London, Bodensee, Neuseeland, Kanada? Ach, ihr seid gar nicht weggefahren? Das ist ja auch so gemütlich!

„Hast du einen Freund oder eine Freundin?“

„Bist du verheiratet?“

„Hast du Kinder?“: Nein? Dann wird’s aber mal Zeit…

„Wie alt bist du?“: 15,16,18, 21, 23, 25 tzzzz (eingezogen) 30?

„Wo wohnst du?“: Haus, Wohnung, Villa, Zelt oder doch auf der Straße?

Dieser eigentlich so harmlose Smalltalk entpuppt sich jedoch schnell als Analyse des Aussehens, der Persönlichkeit, der ganzen Person!

Eingegrenzt auf den kleinen Zeitraum, in der man die Person kennen gelernt hat;

Und sofort weiß man eigentlich, auf den ersten Blick, alles über diese Person –

Doch der Schein trügt –

In Wirklichkeit wird die Person auf ein tausendstel, wenn nicht weniger, ihrer selbst reduziert;

Jedes Haar, jede Gestik, jede Mimik, jeder Wimpernschlag

wird aufs Genaueste beobachtet, beschlagnahmt, gespeichert und sofort sortiert-

Prestige Selektion –

„Ist das in der Gesellschaft akzeptiert oder nicht?“, das fragt sich ein jeder;

Doch bevor man sofort damit anfängt,

die Person zu analysieren, auseinanderzunehmen,

und ihr Handeln, ihr Aussehen, ihren Charakter zu bewerten,

könnte man vielleicht daran denken, die Person kennenzulernen, mehr als nur oberflächliche Gesichtspunkte der Person aufzunehmen und sich damit zufrieden zu geben –

Nein, nicht mal zufrieden zu geben –

Je weniger Informationen umso besser,

denn so kann diese Person viel leichter in eine Schublade gezwängt werden,

die vielleicht gar nicht zu ihr passt;

Aber genau dem Analytiker, dem Verurteiler, also fast jedem Menschen, passt es aber ganz gut,

da er/sie sich keine Mühe machen muss,

nachzudenken, sich mit einem Menschen, einem wahren, echten Menschen,

der kein vorgefertigtes Medium zum Bewerten, Analysieren, Aufsaugen ist,

aber bald zu einem wird, wenn man daran nichts ändert,

auseinander zu setzen;

„Aber hey, das passiert doch alles nur in meinem Kopf!“, sagt er/sie da verzweifelt;

„Das ist doch dann o. k.“

Nein, das ist dann eben gar nicht o. k.,

denn da wo Diskriminierung, Beleidigungen, Gewalt einmal sind, da war vorher Verurteilung;

 

Jedes Mal, wenn ich Menschen sehe, da verurteile ich, das gebe ich zu;

Und ein Stück weit hasse ich mich dafür:

Warum nehme ich es mir heraus, über andere zu urteilen, ihnen eine Identität vorzuschreiben, die eigentliche Person damit zu ersticken?

Und das eigentliche Ich der Person schwimmt am Meeresboden und wird nie zum Vorschein kommen;

Warum sehe ich kein Menschen als einen Menschen, sondern als Klischee, als Stereotyp, als ein Medium für meinen Neid, meinen Hass, für all die Gefühle, die ich nicht an mir selbst anwenden möchte?

Warum sehe ich die Menschen als dumm, rücksichtslos, unsensibel, unreif, unsicher?

Warum habe ich so ein schlechtes Bild von Menschen?

Ich habe dieses Bild, da ich nur weiß, was ich denke;

Was ich denke ist aber nicht die einzige Sichtweise, Denkweise, Meinung;

Trotzdem gehe ich davon aus, dass auch alle anderen auch so denken, so handeln würden, wie ich das tue –

Das tun sie aber nicht-

Und dann bin ich enttäuscht

Verurteilt, in eine Schublade gesteckt;

 

Doch wenn ich nur ein bisschen den Kopf umdrehe,

die grauen Wolken aus Gedanken, wie Menschen sein sollen und handeln sollen, zur Seite schiebe

und unvoreingenommen ein Individuum an Mensch sehe,

zulasse,

aufzunehmen, Eindrücke wirken zu lassen;

Sie kennenlerne, verstehe;

Dann ist die Menschheit nicht nur schwarz oder weiß, und das ist kein rassistischer Witz-

Nein sie ist grau-

und es variieren Grautöne um Grautöne,

kommen schwarz und weiß nahe

und ergeben zusammen ein interessantes Bild aus Grautönen;

Also warum nicht einfach still sein,

nicht das Ego zum Vorschein kommen lassen,

tolerant sein,

warten, verstehen, (Ich weiß, das sind die schwierigsten zwei Dinge für die Menschheit)

um unvoreingenommen ein Individuum an Mensch zu sehen

Hallo

Dies hier ist der letzte Teil meiner „Ver“-Reihe, schließt also an Veränderung und Verdrängen mit Verurteilung an. Ich will ehrlich sein- dieser hier ist mein liebster Teil. Im Gegensatz zu den anderen beiden Texten entstand dieser in einem Schub und man merkt, finde ich, wie energiegeladen, aufbrausend, intensiv er geschrieben wurde. So einen Text müsste man eigentlich vorlesen, nein vortragen- das liegt jetzt aber an euch, wie ihr ihn vorträgt, interpretiert. Die Verurteilung ist aber auch ganz einfach die Sache über die ich am meisten nachdenke, mit der ich mich am meisten beschäftige.

Veränderung, Verdrängen und Verurteilung haben auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun, außer natürlich dem „Ver“, aber eigentlich schon: nämlich mich. Diese drei Gefühlslagen/„Ver“-Wörter, nennt sie wie ihr wollt, sind alle in meinem Kopf und haben sich soweit vorgedrängelt, dass ich Texte über sie geschrieben habe. Über den Text an sich will ich im Gegensatz zu den anderen beiden gar nicht viel sagen, denn er spricht für sich selbst. Jedem begegnet jeden Tag irgendeine Art der Verurteilung, entweder geurteilt oder verurteilt worden. Und daran muss etwas geändert werden und nicht weiter verdrängt werden (see what I did there?😏).

Dieser Text spiegelt meine Verzweiflung in der Menschheit und mir wieder. Zwischen Lug und Trug, Falsch Sein und Schlecht Machen verstehe ich nicht, wie wir immer noch als Gesellschaft bestehen können- aber vielleicht hält uns ja genau das zusammen, wer weiß 😉 Mein Ziel ist es, menschlicher miteinander umzugehen, denn es ist so leicht einen Menschen nur als Objekt zu sehen, vor allem im digitalen Zeitalter. Aber wenn wir uns gegenseitig nur noch abstrakt vorstellen und darstellen, stoßen wir uns nur noch weiter voneinander ab, aber wohin? Deswegen meine Message: Sehe unvoreingenommen ein Individuum an Mensch